Eroeffnung WdB 2019 besucher 1

Ansprache von Werner Fischer:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Alexander Berger
Sehr geehrter Herr Olaf Sundermeyer
Sehr geehrte Gäste aus Nah und Fern
Sehr geehrte verantwortungsvolle Ideenspender und Macher
Sehr geehrte Berichterstatter
Sehr geehrte Anwesende

Heute am 10. März 2019, einem Sonntagnachmittag, begrüße ich Sie als Gastgeber sehr herzlich, danke Ihnen für Ihr Kommen und freue mich über Ihr Interesse. Unter den Anwesenden sind auch einige Personenkreise, Macher, Ahlener Kirchen- und Glaubensgemeinschaften sowie Mitglieder des Forums Brüderlichkeit, die zu dieser Begegnung ins Interreligiöse Museum im Ahlener Goldschmiedehaus gekommen sind, eines der wenigen interreligiösen Museen der Welt, wie uns das Internet verrät.

Hier sang schon der Imam der Ditib-Moschee Ahlen zum Wohlgefallen Allahs das Abendgebet, hier befinden sich Exponate des Ahlener Ehrenbürgers Imo Moszkowicz und unter den vielen Exponaten auch die Mitra des Erzbischofs und Nuntius Dr. Erwin Josef Ender aus Rom, der das Interreligiöse Museum in Ahlen mit seinem Besuch beehrte.

Eine Zusammenarbeit mit Personen und Vereinigungen guten Willens fand und findet auf vielen Ebenen in diesem Museum statt. An dieser Stelle möchte ich die „Kulturstrolche“ nennen, eine Aktion für Schüler der ersten Schulklassen, die vom Rathaus gesteuert wird.

Wir danken für die exzellente Zusammenarbeit mit der VHS, hier besonders mit dem früheren Leiter Rudolf Blauth, und der Nachfolgerin Nadine Köttendorf sowie den Verantwortlichen der Ahlener Stadtverwaltung.

Gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick, Herr Bürgermeister Dr. Berger.

Ihre am 17. Januar 2019 durchgeführten Initiativen anläßlich des Neujahrsempfangs in der Ahlener Stadthalle mit der Präsenz vieler Ahlener Kirchen- und Glaubensgemeinschaften verdienen Achtung, Respekt und besondere Anerkennung über Ahlen's Stadtgrenzen hinaus.

Bravo!

Es gelang Ihnen, den Religionen eine neutrale aber wichtige Stimme zu verleihen, die verstanden und respektvoll aufgenommen wurde und zu weiterem Handeln und Tun einlädt. .

Danke für die an das Museum im Goldschmiedehaus übergebene Gedenk-Kerze, die hier jetzt an zentraler Stelle in der Aura der Exponate einiger Weltreligionen auf Zeit vor diesem Tabernakel, der für die Katholiken das Haus Gottes symbolisiert, platziert ist.

Schweren Herzens möchte ich Ihnen heute mitteilen, dass ich mich mit meinen 89 Jahren aus dem aktiven öffentlichen Geschehen zurückziehe und bitte unseren Sohn Raphael, zukünftig meinen Part sowie auch den Part meiner Frau im Museum zu übernehmen.
Viel Glück und Geschick wünschen Dir Deine Mutter und Dein Vater. Glück auf

Ansprache von Bürgermeister Dr. Alexander Berger:

Eröffnung der „Woche der Brüderlichkeit“
am 10. März 2019
im Interreligiösen Museum im Goldschmiedehaus

Sehr geehrte Eheleute Fischer,
verehrter Herr Sundermayer,
geschätzte Mitglieder des Forums Brüderlichkeit,
meine sehr geehrten Damen und Herren.

Im nächsten Jahr blicken wir zurück auf 75 Jahre Untergang des deutschen Nazi-Reichs und damit auch Ende der Shoa, des größten Verbrechens, dessen sich die Menschheit je schuldig gemacht hat. Jahrzehnten des Verdrängens und Vergessens folgten Jahrzehnte der Aufklärung und politischen Bildung. Warum müssen wir uns heute dennoch mit Judenfeindschaft befassen? Sollte sie nicht längst überwunden und einer rationalen Betrachtung des Wesens und des Verhältnisses der Religionen gewichen sein?

Die Antwort fällt zu unserer Ernüchterung aus. Uns bedrängen der Eindruck und die Gewissheit, dass breite Teile der Öffentlichkeit nicht nur antisemitischen Überzeugungen anhängen, sie äußern sie auch immer ungehemmter und unverschämter. Antisemitismus ist in Europa auf dem Vormarsch. Zu diesem besorgniserregenden Befund kommt eine Studie der EU-Grundrechtsagentur, die sich auf die Befragung von Jüdinnen und Juden in zwölf EU-Staaten stützt.

Gemäß dem Bericht geben neun von zehn Europäern jüdischen Glaubens an, der Antisemitismus habe in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen. Fast 90 Prozent der Befragten klagen über antisemitische Inhalte im Internet und in sozialen Netzwerken, 28 Prozent geben an, in den letzten zwölf Monaten belästigt worden zu sein. Während die Angst vor gewalttätigen Übergriffen groß ist, gaben zwei Prozent an, Opfer eines physischen Angriffs geworden zu sein.

Antisemitismus tötet. Nur drei Beispiele:

Vor zwei Jahren in Paris: Eine 67-jährige Jüdin wird aus dem Fenster ihrer Wohnung geworfen und stirbt.

Im März letzten Jahres: Eine 85-jährige Jüdin, die in der Jugend nur knapp den SS-Häschern entkam, wird Opfer eines antisemitischen Mobs. Sie stirbt an zahlreichen Messerstichen, die ihr die Täter zufügten.

In Brüssel starben 2014 bei einem Terroranschlag auf das jüdische Museum vier Menschen.

Die Reihe ließe sich – leider – ohne große Mühen fortsetzen. In Deutschland forderten judenfeindliche Exzesse in den letzten Jahren zwar glücklicherweise keine Todesopfer, aber auch hier sind Juden, die sich als solche zu erkennen gaben, geschmäht und tätlich angegriffen worden. Was ich besonders abstoßend finde: Auf Schulhöfen und in Fußballstadien gilt das Wort „Jude“ als schlimmstes Schimpfwort. Es soll ausgrenzen und erniedrigen.

Angesichts solch zügelloser Gewalt ist die Frage gerechtfertigt, die Motto der diesjährigen „Woche der Brüderlichkeit“ ist: „Mensch, wo bist Du?“ Wo bleibt es, das Menschliche?

Wo bei den Tätern, aber auch wo bei denen, die am Rande stehen, beobachten, sich nicht zuständig fühlen. Die, die die Haltung haben, „das geht mich nichts an, damit will ich nichts zu tun haben.“

Mensch, wo bist Du?“ Das ist die Aufforderung zu anständigem Handeln und auch der Appell, sich mit denen zu solidarisieren, die mit dummen Sprüchen und unüberlegten Bemerkungen geschmäht und verächtlich gemacht werden. Am Arbeitsplatz, in der Familie, im Verein, unter Freunden müssen wir alle den Rücken durchstrecken und uns gegen die „Antisemitismen“ aufbauen, die im Alltag immer wieder aufblitzen. Denn Antisemitismus ist keine Meinung, er ist eine Menschenrechtsverletzung. Und er geht quer durch alle Bildungs- und Gesellschaftsschichten.

Die populärste Variante des Alltags-Antisemitismus heißt heutzutage „Israelkritik“. Schon, dass es im Deutschen ein Wort wie Israelkritik überhaupt gibt, aber keine Venezuelakritik oder gar Kubakritik, lässt aufhorchen. Juden in Deutschland müssten sich permanent für den Nahostkonflikt rechtfertigen. Und häufig geht „Israelkritik" einher mit einem Paket an Verschwörungstheorien. Juden regieren die Welt, Juden beherrschen die Banken. Sie hätten den Holocaust provoziert, nur um an einen eigenen Staat zu kommen – alles schon gehört.

Im Publikum begrüße ich an dieser Stelle sehr herzlich Sharon Fehr, den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Münster. Sie, lieber Herr Fehr, mussten sich noch vor etwas mehr als einem Jahr gegen öffentliche Anfeindungen wehren, die Ihnen das Recht absprechen wollten, Jude in Deutschland zu sein. Genährt werden solche Anfeindungen von antijüdischen Verschwörungstheorien, die aus dem rechten, wie aus dem linken und islamistischen Spektrum kommen. Herr Sundermayer wird uns gleich sich noch mehr darüber erzählen.

Meine Damen und Herren, solche Beispiele zeigen leider, dass nicht oft genug darauf hingewiesen werden kann, dass wir Antisemitismus nicht dulden. Das Ahlener Programm der „Woche der Brüderlichkeit“ bringt dies deutlich zum Ausdruck. Und zugleich transportiert es eine ganz banale, und trotzdem erwähnenswerte Botschaft: Wir alle sind Menschen, ob Christen, Moslems, Juden oder Nicht-Gläubige – und alle mit denselben Stärken und Schwächen ausgestattet. Diese Erkenntnis lässt den Sinn von Judenfeindschaft und jegliche Form der menschlichen Abwertung geradezu albern erscheinen.

Dass Ahlen eine Stadt ist, in der die Bereitschaft zu einer offenen und diskriminierungsfreien Kultur des Miteinanders besteht, erleben wir in unserer Stadt an vielen Orten, an denen sich Menschen begegnen, sich füreinander interessieren und voneinander lernen. Eindrucksvoll erlebt haben wir das beim Neujahrsempfang im Januar, der unter dem Motto des Interreligiösen Dialogs gestanden hat. Die Kerze, die die Vertreter der Glaubensgemeinschaften mit mir entzündet haben, hat – wo könnte sie auch besser aufgehoben sein – einen Platz hier im Museum von Werner Fischer erhalten.

Lieber Herr Fischer,

Sie sind und waren stets eine treibende Kraft im Forum Brüderlichkeit. Dabei folgten Sie immer dem Motto, das Sie beim Neujahrsempfang allen Gästen zuriefen: „Nicht lange reden, machen!“ Wir alle werden Ihre Mitarbeit im Forum künftig vermissen. Aber Sie sagen sich: Mit bald 90 Jahren ist es genug, man hat ja auch noch etwas anderes vor im Leben. Zu Ihrem Lebenswerk zählen nicht nur Ihre Familie, Ihr Betrieb und dieses bedeutende und wunderschöne Museum. Auch Ihre mehr als 20-jährige Tätigkeit im Forum Brüderlichkeit möchte ich darunter fassen.

Als Zeitzeuge des Jahrgangs 1930 haben Sie die zu behandelnden Themen als Generationsverpflichtung wahrgenommen und danach gehandelt:

Während Ihrer Zeit als Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Goldschmiede haben Sie bereits vor 46 Jahren als Deutscher mit dem Staat Israel einen der ersten Verträge abgeschlossen, der einen Austausch israelischer und deutscher Goldschmiede der beiden Länder beinhaltete. Der Vertragsabschluss erfolgte im Dezember 1973 im Rathaus zu Münster mit dem israelischen Botschafter Ben Horin.

1998 verfassten Sie das Buch: Jüdisches Kultgerät - Jüdisches Leben. Auch haben Sie hier im Laufe der Jahre eine reichhaltige Sammlung jüdischer Kultgeräte zusammengetragen, in der sich u. a. das einzige noch erhaltene Teil - ein silbernes Toraschild - aus der im November 1938 ausgebrannten Synagoge Paderborns befindet.

Auch im Namen der Stadt Ahlen möchte ich Ihnen für Ihr völkerverbindendes und brückenbauendes Werk herzlich danken. Diese Stadt darf stolz auf Sie sein!

Meine Damen und Herren, bevor Herr Sundermayer jetzt das Wort ergreift, möchte ich dem Forum Brüderlichkeit für seinen nimmermüden Einsatz danken. Es ist mit seinen Frauen und Männern, die sich in ihm engagieren, eine wichtige Garantie dafür, dass aus der Vergangenheit notwendige Lehren für Gegenwart und Zukunft gezogen werden. Ein weiterer Dank an Nadine Köttendorf, die neue Leiterin unserer Volkshochschule, und Lars Koenig, Leiter der Familienbildungsstätte. Beide koordinieren das Programm der Woche der Brüderlichkeit, und das ist Ihnen ganz hervorragend gelungen!

Ein Wort abschließend zu Olaf Sundermayer. Er zählt zu den intimsten Kennern der rechtspopulistischen Szene und wird erläutern, warum sie insbesondere in Ostdeutschland auf eine relativ große Zustimmung in der Bevölkerung trifft, welche Gefahren von ihr auch in Westfalen und im Kreis Warendorf ausgehen und wie man sich am besten mit ihr auseinandersetzt.

Unser Referent ist regelmäßiger Gast in TV-Talkshows, arbeitet als Buchautor und Journalist für überregionale Redaktionen (F.A.Z.), für den Hörfunk und für das Fernsehen. Seine Stammredaktion ist der RBB, wo er im Investigativ-Team u.a. über die rechte Szene berichtet. 2018 erschien sein Buch „Gauland – Die Rache des alten Mannes“. 2014 wurde er mit dem Deutsch-Polnischen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreis ausgezeichnet.

Herr Sundermayer, wir hören Ihnen gespannt zu.

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